Jahreskonzert 2009: Anspruchsvolle Blasmusik und Stille
HERBOLZHEIM. Blechgetöse fürs Bierzelt? Das war einmal. Moderne Blasmusik kann richtig anspruchsvoll sein. Manchmal jedenfalls: Das Jahreskonzert der Herbolzheimer Stadtmusik stand unter dem Motto "Traditionell oder untraditionell?" und forderte Zuhörern wie Musikern jede Menge ab. Auf dem Programm, unter anderem: Fernöstliche Harmonien, eine schwedische Ballade, ein Jazz-Song und ein Stück, bei dem kein Ton gespielt wird. Vier Minuten und 33 Sekunden lang.
Das Werk ist ein Klassiker: Geschrieben hat es der Amerikaner John Cage, die Uraufführung im Jahr 1952 sorgte für unruhig tuschelndes Publikum und einen kleinen Skandal. Das Stück mit dem Titel 4’33’’ besteht aus drei Sätzen, in der Partitur steht einzig und allein die Anweisung Tacet. Der Rest ist Schweigen. Das Herbolzheimer Orchester unter Musikdirektor Wolfgang Peter zelebrierte das Werk. Der Dirigent baute sich vor dem Orchester auf, holte tief Luft – und nichts geschah.
In der Breisgauhalle herrschte Stille. Jedenfalls fast: Die Lautsprecher brummten leise weiter. Die Zuschauer tuschelten, hüstelten, kicherten, lachten. Nach dem zweiten Satz applaudierten manche, zu früh natürlich. Und ein Scherzkeks brüllte "Zugabe!" Der Skandal blieb aus, vielleicht auch deshalb, weil Ansager Roland Herrmann dem Publikum schon vorher erzählt hatte, was bevor stand. "Wir haben etwas gesucht, was noch keiner gemacht hat", sagt Wolfgang Peter, der Herbolzheimer Dirigent. Ansonsten war der Großteil des Konzertes unkonventionell.
Die knapp 50 Musiker eröffneten das Programm mit dem Marsch "Viva Excelsior" – und zogen dabei im Gleichschritt in die Breisgauhalle ein. Mit "Seagate" und "Chicago Festival" standen zwei moderne Blasmusik-Ouvertüren auf dem Programm, mit Steven Reinekes komplexem Zehnminüter "Pilatus – Mountain of Dragons" eine dramatische Tondichtung über den Kampf mit einem Drachen. Mit "Blossom in A Japanese Garden" und "Yangtze River" wandten sich die Musiker fernöstlichen Klangwelten zu, beim Jazz-Klassiker "Minnie the moocher" bekam Percussionist Andreas Schmidt die Gelegenheit, als Sänger zu brillieren – und mit dem Publikum Refrains der Marke "hi-de-hi-de-hi-di-hi" einzustudieren.
Untraditionell auch die Wahl der Soloinstrumente: Bei Kurt Gäbles Komposition "Begegnung" pusteten Volker Glöckle und Wolfgang Peter in Alphörner, beim "Einsamen Hirten" und dem technisch diffizilen Stück "Die Lerche" riss Gastmusikerin Daniela Kindilide die rund 350 Zuhörer in der Breisgauhalle zu Beifallsstürmen hin. Eine alte Bekannte war auch zu hören: Sängerin Susanne Frank interpretierte einfühlsam und stimmgewaltig die schwedische Ballade "Daniels Song". Getanzt wurde auch – bei einer zackigen Blasmusik-Version von Michael Jacksons Popklassiker "Thriller." Es gab auch traditionelle Stücke zu hören. "Im Zauberwald" zum Beispiel, ein Arrangement, das der Herbolzheimer Emil Dörle einst aus Werken des Österreicher Operetten-Spezialisten Franz von Suppé zusammenfügte. Oder den Traditionsmarsch "Alte Kamera" von Carl Teike. Und natürlich, wie immer im Zugaben-Block, Emil Dörles "Hoch Badnerland."
